Halbtier
Roman
von
Helene Böhlau
(Frau al Raschid Bey)

Fünfte Auflage

Egon Fleischel & Co.
Berlin
1907

Alle Rechte
vorbehalten

1.

Fernes Gewittergrollen verliert sich im lautenTreiben des Menschenstroms, der die schwülenStraßen füllt.

Über dem ganzen überspannten, überbürdetenMenschentum lastet die große Sonnenhitze unddie Enge der Gassen, die Höhe der Häuser.

All diese Menschen sind so eingezwängt, wennsie’s auch nicht klar wissen.

Die Enge der Herzen, die Enge der Köpfeund Gesinnungen, der Höfe und Gänge, dieEnge der Stuben, der ganze Brodel in dem sieleben, alles lastet und drückt und macht siestöhnen und stimmt sie unbewußt sehnsuchtsvoll,unbewußt unzufrieden.

Da kam der erste große, freie Donnerschlag.

Oho!

Darauf ein verdächtiges Schauerlüftchen, dasden fettigen, feuchten Straßengesichtern den Staubentgegenbläst.

Alles wirbelt.

Das, was einst lebte und nun als eklerStaub geduldig liegt, beginnt zu tanzen — tanztund fährt den Lebenden widrig in die Augenund bedrängt sie. Es kommt ein Hasten in diestumpfsinnige Menge, so ein gesundes natürlichesHasten, das der Herdentiere.

Wie sie laufen, als ob sie aus Zucker wärenund die schweren frischen Regentropfen an ihnenlecken und sie auflösen würden.

Und wie wohl thun diese schweren Tropfen!Auf den glutheißen Steinen geben sie dunkle,thalergroße Flecken und von dem aufgehäuftenStaub lassen sie lebendigen Erdgeruch aufsteigen.

Blitz und Donner und die schweren gesegnetenTropfen! Wenn die in den Städtequalmhineinfahren, das ist etwas! Ein Hochgefühlzum aufjauchzen!

Nur immer ärger! immer toller!

Die braunen Güsse, die durch die Rinnenjagen, die braunen Teiche und Tümpel auf Schrittund Tritt, in denen die Tropfen aufspringen undhüpfen und spritzen!

Das ist lustig.

Und die staubkrustigen Bäume mit dem frühhinsterbenden Laub, wenn in sie die Regenflutrauscht, wenn die nicht wissen, wohin mit demÜberschwall von Frische — da lacht einem dasHerz.

Nur immer ärger — immer toller, wenn auchein paar Äste daran glauben müssen!

Und die Straßen so rein gefegt vom Gesindel!

Das thut wohl!

Da sind sie einmal verscheucht, die Alltagsgesichter!

Hei — wie das schön ist! So sauber, somorgenfrisch!

Wenn sie sich doch so bald nicht wiederherauswagen wollten!

Aber die kommen wieder; ganz gewiß, —das weiß man schon.

*

Auf einem alten merkwürdigen Platz, hinterder griechischen Kirche, haben sie eine Fleischbankabgetragen, um eine große Markthalle zu bauenund sind dabei auf menschliche Gebeine gestoßen,— auf eine so große Anzahl von Gebeinen,daß es den Leuten angst und bange wurde.

Auf so etwas waren sie jahraus, jahrein getreten,bei ihren Einkäufen, ihren Spaziergängenund bei manchem Stelldichein.

Gerade an der Straßenecke, in d

...

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