Roman aus dem Russischen
des
Grafen Leo N. Tolstoi.
Nach der siebenten Auflage übersetzt
von
Hans Moser.
Zweiter Band.
Leipzig
Druck und Verlag von Philipp Reclam jun.
Die Fürstin Schtscherbazkaja fand, daß es unmöglich sei,die Hochzeit vor den Fasten, bis zu denen noch fünf Wochenwaren, zu feiern, da die eine Hälfte der Ausstattung bis dahinnicht fertig zu stellen war; doch konnte sie nicht umhin,sich mit Lewin einverstanden zu erklären, daß es nach denFasten wieder viel zu spät werden würde, da eine alte Tantedes Fürsten Schtscherbazkiy sehr krank war und bald sterbenkonnte, und alsdann die Trauer die Hochzeit noch weiter verzögerthaben würde. Die Fürstin erklärte sich infolge dessen,nachdem sie die Mitgift in zwei Partieen — eine große undeine kleine geteilt hatte, damit einverstanden, daß die Hochzeitzu den Fasten gefeiert würde. Sie beschloß den kleineren Teilder Mitgift schon jetzt bereit zu machen, während der größerespäter folgen würde, und war sehr erbost über Lewin, weildieser ihr durchaus nicht ernsthaft zu antworten vermochte,ob er hiermit einverstanden sei oder nicht. Diese Ordnungder Dinge war um so bequemer, als die jungen Eheleutesogleich nach der Hochzeit auf das Land gingen, wo die großeMitgift gar nicht erforderlich war.
Lewin befand sich noch immer in jenem Zustande derVerzücktheit, in welchem es ihm schien, als ob er und seinGlück den hauptsächlichsten und einzigen Zweck alles Seiendenbildete, daß er jetzt an nichts denken, für nichts sorgen dürfe,daß vielmehr alles für ihn von anderen gemacht wurde odergemacht werden würde. Er hatte durchaus keine Pläne oderZiele für sein zukünftiges Leben, sondern gab die Entscheidunghierüber anderen anheim in der Überzeugung, es werde schonalles gut gehen. Sein Bruder Sergey Iwanowitsch, StefanArkadjewitsch und die Fürstin leiteten ihn an, was er zu thun[4]habe, und er war vollständig einverstanden mit allem, wasman ihm vorschlug. Sein Bruder nahm Geld für ihn auf,die Fürstin riet, nach der Hochzeit Moskau zu verlassen,Stefan Arkadjewitsch riet, eine Hochzeitsreise ins Ausland zumachen. Er war mit allem einverstanden. „Thut was Ihrwollt, wenn es Euch Vergnügen macht. Ich bin glücklich,und mein Glück kann nicht größer sein und nicht kleiner,was immer Ihr auch thun möget,“ dachte er.
Als er Kity den Rat Stefan Arkadjewitschs mitteilte, eineHochzeitsreise ins Ausland zu machen, wunderte er sich sehr,daß sie damit nicht einverstanden war, sondern bezüglich desbeiderseitigen künftigen Lebens gewisse eigene bestimmte Forderungenstellte. Sie wußte, daß Lewin seine Beschäftigungauf dem Lande hatte, die er liebte. Sie verstand, wie er sah,nicht nur nichts hiervon, sondern wollte auch gar nichts davonverstehen lernen, doch hinderte sie dies nicht, jene Beschäftigungfür sehr wichtig zu halten. Sie wußte ferner, daßihr Haus in einem Dorfe stand, und wünschte nun eben, nichtins Ausland zu fahren, wo sie ja nicht leben würde, sonderndorthin, wo ihr Haus stand. Dieser bestimmt ausgeprägteEntschluß setzte Lewin in Verwunderung, doch da ihm allesgleichgültig war, bat er sogleich Stefan Arkadjewitsch, als obdies dessen Verpflichtung wäre, auf das Dorf zu fahren unddort alles vorzubereiten, wie er es verstünde, mit jenem Geschmack,den er in so reichem Maße besäße.
„Höre einmal,“ sagte nun eines Tags Stefan Arkadjewitschzu Lewin, — vo