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Druck von Philipp Reclam jun. Leipzig
Als eine Fortsetzung der Vorlesungen, die ich im Wintervor drei Jahren allhier an derselben Stätte gehalten, undwelche unter dem Titel: »Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters«gedruckt sind, habe ich die Reden,[1] die ich hiermitbeginne, angekündigt. Ich hatte in jenen Vorlesungen gezeigt,daß unsre Zeit in dem dritten Hauptabschnitte dergesamten Weltzeit stehe, welcher Abschnitt den bloßen sinnlichenEigennutz zum Antriebe aller seiner lebendigen Regungenund Bewegungen habe; daß diese Zeit in der einzigenMöglichkeit des genannten Antriebes sich selbst auchvollkommen verstehe und begreife; und daß sie durch dieseklare Einsicht ihres Wesens in diesem ihren lebendigenWesen, tief begründet und unerschütterlich befestigt werde.
[1] Diese Reden sind im Jahre 1808 zum erstenmal im Druck erschienen.
Mit uns gehet, mehr als mit irgendeinem Zeitalter, seitdemes eine Weltgeschichte gab, die Zeit Riesenschritte. Innerhalbder drei Jahre, welche seit dieser meiner Deutung deslaufenden Zeitabschnittes verflossen sind, ist irgendwo dieserAbschnitt vollkommen abgelaufen und beschlossen. Irgendwohat die Selbstsucht durch ihre vollständige Entwicklung sichselbst vernichtet, indem sie darüber ihr Selbst, und dessenSelbständigkeit, verloren; und ihr, da sie gutwillig keinenandern Zweck, denn sich selbst, sich setzen wollte, durch äußerlicheGewalt ein solcher andrer und fremder Zweck aufgedrungenworden. Wer es einmal unternommen hat, seineZeit zu deuten, der muß mit seiner Deutung auch ihren Fortgang begleiten, falls sie einen solchen Fortgang gewinnt;und so wird es mir denn zur Pflicht, vor demselben Publikum,vor welchem ich etwas als Gegenwart bezeichnete, dasselbeals vergangen anzuerkennen, nachdem es aufgehört hat,die Gegenwart zu sein.
Was seine Selbständigkeit verloren hat, hat zugleich verlorendas Vermögen einzugreifen in den Zeitfluß, und denInhalt desselben frei zu bestimmen; es wird ihm, wenn esin diesem Zustande verharret, seine Zeit, und es selber mitdieser seiner Zeit, abgewickelt durch die fremde Gewalt, dieüber sein Schicksal gebietet; es hat von nun an gar keineeigne Zeit mehr, sondern zählt seine Jahre nach den Begebenheitenund Abschnitten fremder Völkerschaften undReiche. Es könnte sich erheben aus diesem Zustande, inwelchem die ganze bisherige Welt seinem selbsttätigen Eingreifenentrückt ist, und in dieser ihm nur der Ruhm desGehorchens übrigbleibt, lediglich unter der Bedingung, daßihm eine neue Welt aufginge, mit deren Erschaffung eseinen neuen und ihm eignen Abschnitt in der Zeit begönne,und mit ihrer Fortbildung ihn ausfüllte; doch müßte, daes einmal unterworfen ist fremder Gewalt, diese neue Weltalso beschaffen sein, daß sie unvernommen bliebe jener Gewalt,und i