[S. 2]

Leonorenlieder

von

Johann Christian Günther

Herausgegeben von Conrad Höfer


Im Insel-Verlag
zu Leipzig

[S. 3]

Goethe
über
Johann Christian Günther

Betrachtet man genau, was der deutschen Poesie fehlte,so war es ein Gehalt und zwar ein rationeller; antalenten war niemals Mangel. Hier gedenken wir nur Günthers,der ein Poet im vollen Sinne des Worts genanntwerden darf. Ein entschiedenes Talent, begabt mit Sinnlichkeit,einbildungskraft, Gedächtnis, Gabe des Fassens undvergegenwärtigens, fruchtbar im höchsten Grade, rhythmischbequem, geistreich, witzig und dabei vielfach unterrichtet;genug, er besaß alles, was dazu gehört, im Leben ein zweitesleben durch Poesie hervorzubringen, und zwar in dem gemeinen,wirklichen Leben. Wir bewundern seine große Tüchtigkeit,in gelegenheitsgedichten alle Zustände durchs Gefühlzu erhöhen und mit passenden Gesinnungen, Bildern, historischenund fabelhaften Überlieferungen zu schmücken. Dasrohe und Wilde daran gehört seiner Zeit, seiner Lebensweiseund besonders seinem Charakter oder, wenn man will, seinercharakterlosigkeit. Er wußte sich nicht zu zähmen, und sozerrann ihm sein Leben wie sein Dichten.

 

[S. 5]

Euch, Musen, dankt mein treu Gemüte,
Wofern ich etwas gelt' und bin:
Der Lorbeer eurer reichen Güte
Grünt jetzt schon auf die Nachwelt hin.
Ihr habt mich von Geburt umfangen,
Gesäugt, geführt, geschützt, ernährt
Und, wenn mir Freund und Trost entgangen,
Dem Herzen allen Gram verwehrt.
Nun mögen andre meinesgleichen
Aus Ehrgeiz mit nach Ungarn gehn
Und bei des Adlers Siegeszeichen
Geschlecht und Stand und Glück erhöhn;
Ich schmeichle keiner großen Zofe,
Ich bete keinen Götzen an,
Der irgend Leute von dem Hofe
Nach Willkür ziehn und werfen kann.
Ein Lager an den grünen Flüssen
Ergötzt mich in gelehrter Ruh',
Hier kann ich alle Not versüßen,
Hier richtet niemand, was ich tu'.
Hier spiel ich zwischen Luft und Bäumen,
Sooft die Sonne kommt und weicht,
Und ehre die in meinen Reimen,
Der nichts an Treu und Schönheit gleicht.
[S. 6]
Sprecht mehr, ihr hochmutsvollen Spötter,
Ich hielte nichts von Lob und Ruhm:
Mein Name dringt durch Sturm und Wetter
Der Ewigkeit ins Heiligtum.
Ihr mögt mich rühmen oder tadeln,<
...

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