Anmerkungen zur Transkription:
Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurdenübernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler wurdenkorrigiert. Änderungen sind im Text gekennzeichnet,der Originaltext erscheint beim Überfahren mit der Maus. EineListe der vorgenommenen Änderungen findet sicham Ende des Textes.
Geschwister Tanner
Roman
von
Robert Walser
Zweite Auflage
Verlag von Bruno Cassirer
Berlin
Eines Morgens trat ein junger, knabenhafter Mannbei einem Buchhändler ein und bat, daß man ihn demPrinzipal vorstellen möge. Man tat, was er wünschte.Der Buchhändler, ein alter Mann von sehr ehrwürdigemAussehen, sah den etwas schüchtern vor ihm Stehendenscharf an und forderte ihn auf, zu sprechen. »Ich willBuchhändler werden,« sagte der jugendliche Anfänger, »ichhabe Sehnsucht darnach und ich weiß nicht, was michdavon abhalten könnte, mein Vorhaben ins Werk zusetzen. Unter dem Buchhandel stellte ich mir von jeheretwas Entzückendes vor und ich verstehe nicht, warumich immer noch außerhalb dieses Lieblichen und Schönenschmachten muß. Sehen Sie, mein Herr, ich kommemir, so wie ich jetzt vor Ihnen dastehe, außerordentlichdazu geeignet vor, Bücher aus Ihrem Laden zu verkaufen,so viele, als Sie nur wünschen können zu verkaufen.Ich bin der geborene Verkäufer: galant, hurtig,höflich, schnell, kurzangebunden, raschentschlossen, rechnerisch,aufmerksam, ehrlich und doch nicht so dummehrlich, wie ich vielleicht aussehe. Ich kann Preise herabsetzen,wenn ich einen armen Teufel von Studentenvor mir habe, und kann Preise hochschrauben, um denreichen Leuten ein Wohlgefallen zu erweisen, von denenich annehmen muß, daß sie manches Mal nicht wissen, was sie mit dem Geld anfangen sollen. Ich glaube,so jung ich noch bin, einige Menschenkenntnis zu besitzen,außerdem liebe ich die Menschen, so verschiedenartigsie auch sein mögen; ich werde also meine Kenntnisder Menschen nie in den Dienst der Übervorteilungstellen, aber auch ebensowenig daran denken, durchallzu übertriebene Rücksichtnahme auf gewisse armeTeufel Ihr wertes Geschäft zu schädigen. Mit einemWort: meine Liebe zu den Menschen wird angenehmbalancieren auf der Wage des Verkaufens mit derGeschäftsvernunft, die ebenso gewichtig ist und mirebenso notwendig erscheint für das Leben wie eine Seelevoll Liebe: Ich werde schönes Maß halten, dessen seienSie zum voraus versichert.« – Der Buchhändler sah denjungen Mann aufmerksam und verwundert an. Erschien im Zweifel darüber zu sein, ob sein Vis-à-vis,das so hübsch sprach, einen guten Eindruck auf ihnmache, oder nicht. Er wußte es nicht genau zu beurteilen,es verwirrte ihn einigermaßen und aus dieser Befangenheitheraus frug er sanft: »Kann ich mich denn, meinjunger Mann, geeigneten Ortes über Sie erkundigen?«Der Angeredete erwiderte: »Geeigneten Ortes? Ichweiß nicht, was Sie einen geeigneten Ort nennen!Mir würde es passend erscheinen, wenn Sie sich garnicht erkundigen wollten. Bei wem sollte das sein, undwas für einen Zweck könnte das haben? Man würdeIhnen allerlei ü