Umschlag
Frontispiz

Paul Leppin

Severins

Gang in die Finsternis

Ein Prager Gespensterroman

Verlagslogo

Delphin-Verlag / München

Den Umschlag und das Frontispiz
zeichnete Richard Teschner in Wien

Copyright 1914 by Delphin-Verlag / München

Erstes Buch
Ein Jahr aus dem Leben Severins

I.

In diesem Herbste war Severin dreiundzwanzigJahre alt geworden. Wenn er desNachmittags, von quälender Bureauarbeitzerrüttet, nach Hause kam, warf er sich aufdas schwarzlederne Sofa in seiner Kammerund schlief bis zum Abend. Erst wenn draußendie Laternen angezündet wurden, ging er aufdie Gasse. Nur im Sommer, wenn die Tagelang und glühend waren, fand er noch dieSonne auf seinen Wegen durch die Stadt.Oder auch an den Sonntagen, wo der ganzeTag ihm gehörte und er auf seinen Wanderungenseiner kurzen Studentenzeit gedachte.

Severin hatte nach zwei oder drei Semesternseine Studien aufgegeben und eineStellung angenommen. Nun saß er währendder Vormittage in dem häßlichen Bureau undhielt sein kränkliches und bartloses Bubengesichtüber die Zahlenreihen gebeugt. Einungesunder und nervöser Mißmut kroch mitder Zimmerkälte durch seinen Körper unddann wurde auch die Unruhe in ihm wach.Das einförmige Gleichmaß machte seineHände zittern. Eine lästige Müdigkeit bohrtein seinen Schläfen und er drückte mit denFingern die Augäpfel in den Kopf bis sieschmerzten.

Eine verregnete Oktoberwoche lang hatteer Zdenka nicht mehr gesehn. Ihre Briefe,die ihn täglich zu kommen baten, schob erverärgert beiseite und beantwortete sie nicht.In dem halblauten Takt seines Blutes begannensich Wünsche zu regen, die Zdenkaihm nicht erfüllen konnte. Und es war immereine gespannte Erwartung, eine krause undabsonderliche Neugier, die ihn befiel, wenner am Abend, vom Schlafe betäubt, auf dieStraße trat. Mit weit geöffneten Augen saher in die Stadt hinein, in der die Menschensich wie Schattenbilder bewegten. Der Lärmder Wagen, das Gerassel der Straßenbahnmischte sich mit den Stimmen der Leute zueinem harmonischen Brausen, in dem ab undzu ein vereinzelter Ruf oder ein Schrei aufklang,dem er mit einem aufmerksamen Empfindennachlauschte, als ob ihm eben etwasBesonderes entgangen sei. Am liebsten warenihm die Straßen, die abseits von dem großenGetriebe lagen. Wenn er die Augen zusammenkniffund durch die halbgeschlossenen Liderschaute, bekamen die Häuser ein phantastischesAussehn. Dann ging er an den Mauernder großen Gärten vorbei, die sich an dieKrankenhäuser und Institute schlossen. DerGeruch des faulenden Laubs und der feuchtenErde schlug ihm entgegen. Irgendwo in derNähe wußte er eine Kirche. Hier war esschon am frü

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