Seestern
Der Zusammenbruch der
alten Welt
Zwanzigste Auflage
== 96. bis 100. Tausend ==
Leipzig
Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung
Theodor Weicher.
Alle Rechte,
besonders des Recht der Übersetzung
in fremde Sprachen, vorbehalten.
Wir stehen am Ende. Das furchtbare Jahr, in dem die alte Weltvon Blut so rot war, ist vorüber. Wir haben ihn gehabt, denfrischen fröhlichen Krieg. Noch stehen europäische Heere draußen, umSchritt für Schritt das zurückzuerobern, was der Trümmersturz desRiesenkampfes verschüttet hat. Das wieder aufzubauen, was dieses Jahran friedlicher Kulturarbeit vernichtet hat, wird ein Jahrzehnt kosten.Und die, welche heimkehren aus Feindesland, sind ein der Arbeit entwöhntesGeschlecht. Die Herzen sind härter geworden in diesem Jahr,da die Welt nach Blut roch. Die Länder sind leerer geworden; essind zu viele schlafen gegangen unter den grünen Erdhügeln da draußen.
Wir stehen am Ende des gewaltigsten Krieges, den die Geschichteder Menschheit sah; das Jahr 1906 ist ihr mit blutroten Lettern eingebrannt.Wir stehen am Ende, und dem Historiker liegt es ob, sichnoch einmal Szene um Szene die Entwicklung des furchtbaren Dramaszu vergegenwärtigen, das in den unheilvollen Märztagen 1906 vorSamoa seinen Anfang nahm und alle Völker der alten Welt in seinenWirbelsturm mit hineinriß. Alle die Unverantwortlichen, die in denParlamenten, in Volksversammlungen, in der Presse jenseits wie diesseitsdes Kanals immer wieder den Völkerhaß geschürt, die da gemeinthatten, ein Waffengang zwischen Deutschland und England werde nurwie ein Gewitter die Luft reinigen, und man werde in der Lage sein,nach Gutdünken heute oder morgen, wenn die Spannung gelöst, „dasGanze Halt“ blasen zu lassen, über sie alle war der Gang der Ereignisserücksichtslos hinweggeschritten. Caesar supra grammaticos!
Das hatten sie nicht berechnet, daß ein europäischer Krieg bei dentausendfältigen Beziehungen zu den überseeischen Neuländern, derenMillionenvölker widerwillig einer Handvoll Weißer gehorchten, notwendigerweisedie Welt in Flammen setzen mußte. Wie eine Bora,wie ein glutheißer alle schlummernden Gefühle aufpeitschender Wüstensturmging es durch die Länder des Islam, wie ein elektrischer Stromzuckte es durch die scheinbar so indolenten Völkermassive Asiens, alsEuropas Boden vom Waffenlärm widerklirrte. Die Diplomaten desBerliner Kongresses mühen sich jetzt den neuen Most in neue Schläuchezu füllen; noch liegt nichts Fertiges, Abgeschlossenes vor, aber die Umrißliniensind gegeben. Da mögen wir noch einmal rückwärts schauen,und das Ganze uns noch einmal vergegenwärtigen, wie es sich entwickelthat. Nur ein Querschnitt durch die Ereignisse soll hier gegebenwerden, nur die Hauptpunkte sollen hervorgehoben werden, nur dieMeilensteine, die den Weg des Jahres 1906 bezeichneten. Allein dieEinigkeit der Völker Europas kann das, was ihnen verloren gegangenist, die unbestrittene politische Macht und die Seeherrschaft aufdem Weltmeer wieder zurückgewinnen. Heute liegt der politische Schwerpunktin Washingto