Die
Gewerkschaftsbewegung.

Darstellung
der
gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiter
und der Arbeitgeber aller Länder.

Von
W. Kulemann
Landgerichtsrat.Jena,
Verlag von Gustav Fischer.
1900.

Alle Rechte vorbehalten.

[iii]

Vorwort.

Als ich bei der Vorbereitung des von mir auf dem evangelisch-sozialenKongresse in Frankfurt a. M. am 17. Mai 1894 gehaltenen Vortrages überdie Gewerkschaften daran ging, mich näher mit dem Gegenstande und derdarüber bestehenden Litteratur zu beschäftigen, fand ich eine auffallende Thatsache.Man kann sicher unserer Zeit nicht den Vorwurf machen, daß zu wenigBücher geschrieben würden. Sollte man da glauben, daß über eine Erscheinung,wie die Gewerkschaftsbewegung, deren weittragende Bedeutung von ihrenFreunden wie von ihren Gegnern übereinstimmend anerkannt wird, nicht eineinziges Buch besteht, aus dem man sich zusammenhängend über sie unterrichtenkönnte! Man möge mich nicht mißverstehen. Ich will gewiß nicht dasVerdienst der Werke von Brentano, Lexis, Sartorius von Waltershausen,Berghoff-Ising, Schmöle, des Ehepaares Webb u. a., derenArbeiten dauernden Wert behalten, herabsetzen, aber sie alle haben sich auf einbestimmtes eng begrenztes Einzelgebiet beschränkt, und ich trete ihnen deshalbnicht zu nahe, wenn ich es als eine auffallende Lücke unserer volkswirtschaftlichenLitteratur bezeichne, daß sie kein zusammenhängendes Werk über dieGewerkschaftsbewegung aufweist.

Ein solches ist aber neben jenen Arbeiten ein unabweisbares Bedürfnis,dessen Befriedigung um so dringender wird, je mehr die Ueberzeugung sichBahn bricht, daß gerade bei uns in Deutschland die Sozialdemokratie nurdeshalb ihre jetzige Bedeutung hat erlangen können, weil es an eineranderweiten Organisation der Arbeiterklasse zur Vertretung ihrer berechtigtenInteressen fehlte, und deshalb auch diejenigen Arbeiterkreise, die den politischenZielen jener Partei, wie ihren ethischen und volkswirtschaftlichen Grundlagenablehnend oder wenigstens gleichgültig gegenüberstehen, sich notgedrungen ihrzuwenden müssen, weil nun einmal die Arbeiterinteressenvertretung eine sozialeNaturnotwendigkeit ist, der auf irgend einem Wege Rechnung getragenwerden muß.

[iv]

Die bezeichnete Lücke auszufüllen ist der Zweck meines Buches. Ichhabe versucht, so vollständig, wie es mir möglich war, alles Thatsachenmaterialzusammenzustellen, das sich auf die wirtschaftliche Interessenorganisation derArbeiter bezieht, ohne Beschränkung auf einzelne Länder oder Formen. Ichbin auch der Ansicht, daß eine solche Arbeit nicht nur den Nutzen einer äußerenZusammenfassung bietet, insbesondere den Personen, die sich mit der Bewegungbeschäftigen wollen, die Mühe erspart, sich durch die Speziallitteratur hindurchzu arbeiten, sondern einen höheren Wert hat, denn, wie in allen jenen Einzelerscheinungennur ein allgemeiner Gedanke der sozialen Kulturentwickelung zumAusdrucke kommt, der aber in den verschiedenen Ländern eine durch die Eigenartder Verhältnisse bedingte verschiedene Ausprägung erhalten hat, so kanndieses einheitliche Moment auch nur durch eine einheitliche Behandlung zumvollen Verständnisse gelangen.

Aber die Aufgabe, die ich zu lösen hatte, bestand doch nicht etwa, wie esnach dem bisher Gesagten scheinen könnte, lediglich darin, das in

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